3
Feb
2015

russisch roulette

Wer nach wahren Werten, wahren Worten und wahren Freunden sucht, der sucht am Ende des Tages vor allem eines: sich selbst. Und einen Anker in der Welt, um das wirklich Wahre vom offensichtlich Falschen zu unterscheiden.

Bloss ist es so: Für Viele hat die Wahrheit mit der Wahrheit nichts zu tun. Wenn wir nicht hören, was wir wollen. Wenn wir nicht hören, was wir angenommen haben. Wenn wir nicht hören, was uns plausibel erscheint.

Dann brandet in uns der Schlachtruf auf: Stimmt ja gar nicht. Ganz bestimmt nicht. Geht ja gar nicht. So Nicht!

Die Frage, was den nun eigentlich die Wahrheit sei, zählt zu den ältesten Fragen mit einer vergleichsweise kurzen Geschichte. Sie ist ein Ideal, ein Wert, ein theoretisches Konstrukt. Sie steht meist in Relation. Manchmal messbar, selten greifbar und oft aufwendig kostümiert.

Die Wahrheit ist keine Eigenschaft, die in uns wohnt. Sie ist vielmehr der korrekte Schlüssel für einen Lückentext, den jeder von uns in so vielen Situationen auszufüllen hat.

Liebst Du mich noch? Wo warst Du? War ich gut? Wer ist es gewesen? Was habe ich bloss getan? Ist das wirklich wahr?

Die Methoden zum Auffinden der Wahrheit reichen dabei von der höflichen Nachfrage über die Einrichtung der Kontrollinstanzen Beichte, Inquisition und Folter bis zur Etablierung des Lügendetektors und der Gerichtsmedizin. Sie muss sich meist beweisen lassen - so konkret wie möglich.

Ihre Stolpersteine sind gekaufte Zeugen, Manipulation, Verdunklung und die klassische Taktik des Gegenangriffs. Bevor also jemand etwas Wahres bei mir findet, finde ich doch lieber etwas Wahres beim Anderen.

So gelten auch für beinahe jeden Streit um die Wahrheit eher die Regeln des Wettkampfs als die der Systematik. Ein taktisches Spiel, ein ewiger Wettbewerb um die Definitionshoheit über Anstand und das tatsächlich ,Richtige‘.

Der common sense versteht die Wahrheit zunächst als eine erkennbare Übereinstimmung. Wahrheit und Wirklichkeit müssen gewissermaßen strukturgleich sein. Es geht also um die Korrespondenz zwischen einer Aussage mit der Welt der Tatsachen.
Lässt sich meine Aussage widerspruchsfrei in ein Gesamstsytem von 'wahren' Aussagen einordnen?

Und doch: die wenigsten von uns verfügen über einen Kinosaal, in dem chronologisch angeordnete Begebenheiten und Rückblenden systematisch gezeigt und referiert werden können. Was uns bleibt, ist nur die Wahrheit des Augenblicks.

Liebst Du mich? Ja, jetzt gerade liebe ich Dich.

Oft ist die 'ganze Wahrheit' nämlich ein ziemlich effektives Lösungsmittel, das den gesellschaftlichen Kitt zur Gänze zersetzt. Dann vergessen wir auch gerne mal unsere gute Kinderstube. Die eigene Moral und Lebensweisheit formieren sich zu scharfen Motiven, um einen anderen seiner Wahrheit wegen zu bestrafen, zu ächten oder auszugrenzen.

So ist wohl etwas Wahres daran, dass die Wahrheit so häufig in der berühmten Mitte liegt.

Wenn sie die Übereinstimmung zwischen Verstand und Sache ist, dann haben wir alle, mit unserem eigenen Verstand, eine ganz eigene Wahrheit. Wir können uns nur glücklich schätzen, wenn sie sich dem Gegenüber soweit verständlich zeigt, dass wir uns bei ihrem Finden liebend in die Arme fallen.
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